10.1 Schwaben, zurck nacg Deutschland!
WBEva 2006.03.10. 09:16
Die Geschichte meiner Gromutter, Frau Stefan Baudentisztl (geb. Katharina Ruff; 1923-2005)
Am 13. Oktober habe ich den letzten Brief von meinem Mann bekommen.
Am 5. Dezember ging ich ins Krankenhaus und bin bis 20. Dezember da gewesen. Erst am 21. konnte ich nach Hause fahren, also mute ich eine Nacht bei Verwandten verbringen.
Am 28. Dezember 1944 kamen die Russen ins Dorf hinein. Damals konnte man nach sterreich fliehen, wenn man wollte. Da gingen die Volksbundleute weg. Am 7. Januar 1945 wurden dann die Russen von den Deutschen mit einem Bombenanschlag zurckgedrngt.
Auf Befehl der Deutschen muten wir am 11. Januar das Dorf verlassen. Ich war noch schwer krank.
Die meisten von uns wurden mit Autos nach Tata transportiert, aber wirhatten da keinen Platz mehr. Also gingen wir mit einem Ochsenwagen zum Bahnhof, den wir dann dort stehen lieen. Es waren 46 Frauen und Kinder auf diesen Wagen, und wir zu sieben auf dem Ochsenwagen, also 53 Personen. Nur wenige, meist alte Leute, konnten zu Hause bleiben.
Wir haben alles mgliche mitgenommen: Brot, Schmalz, Bohnen, Kartoffeln, einen Sack Apfel, und andere Lebensmittel. Auerdem hatten wir noch Decken, Tuchenten, Kissen, Kleider und sowas mit. Wir waren ja mehrere zusammen, drei Frauen und drei Kinder; ich, meine Mutter, meine Schwgerin und ihre drei Kinder. Wir blieben auch bis zum Ende zusammen.
Am Bahnhof waren viele Soldaten, es wurde auch geschossen. Wir wurden mit 30 Tarjner/Tarianer in einem Waggon unterbracht. Der Zug fuhr mit uns um 23 Uhr ab. Als wir am 15. Januar in Lundenburg ankamen waren zwei Kranken und ein totes Kind in unserem Waggon. Da hat man uns vom Zug abgehngt, so waren wir von allen Bekannten abgetrennt. Noch an diesem Abend fuhren wir weiter, und drei Tage spter waren wir in Burgweiden. Dort durften wir baden. In der Nacht wurden wir weiter nach Glogau gebracht. Es waren schon sechs Waggons zusammengekoppelt. Dort hat man uns in einem anderen Viehwagen getrieben, wo zwei Rumnen die Aufsicht hatten.
Am Abend fuhren wir weiter, durch Dresden, Zwickau, Neumark, Rosenthal, Regensburg, Nrnberg nach Amberg. Wir sind am 7. Februar 1945 angekommen. Dort wurden wir in einer Schule, 19 in einem Raum unterbracht. Wir hatten schreckliches Heimweh.
Am 1. Mrz muten wir arbeiten gehen. Wir arbeiteten bis 21. April. Zu jener Zeit gab es oft Luftangriffe. An einem Sonntagabend, es war der 22. 4. kamen die Amerikaner. Wir gingen auf ein Berg, wo eine wunderschne Maria-Kapelle stand. Manchmal verbrachten wir dort Tage mit den Kindern. Danach gab es keine Fliegerangriffe mehr.
Zwei Tage spter kam ein amerikaner Offizier. Er sprach ungarisch. Er hat sich bei uns danach erkundigt, wie wir in Deutschland gelandet sind. Wir haben ihm alles erzhlt, daraufhin sagte er, da wir bleiben knnen. Die anderen Flchtlinge muten fort.
Schon wieder arbeiteten wir. Jetzt in einer UNRRA-Kche, die am 9. Mai 1945 gegrndet wurde. Unser Kchenschef war ein Tschechier, Frantisek Aubrecht. Am 26. Juni wurde er versetzt, so blieben wir mit 500 Leuten alleine.
Zu Weihnachten habe ich von der UNRRA ein Paar Strmpfe bekommen, und von dem Schreiber 50DM. Zu Neujahr waren wir noch in Deutschland und ber unseren Angehrigen wuten wir nichts.
Neun Tage spter wurde unser Lager aufgelst. Wir haben eine Unterkunft im Lager Angerwirtschaft im Amberg gefunden.
Am 9. Februar konnte ich zwei Briefe nach Ungarn schicken. Ein Bekannter fuhr nach Tata/Totis. Einen habe ich an meinem Mann und einen an meinem Schwager geschrieben.
Mit dem Roten Kreuz konnte ich mich am 12. April 1946 auf den Weg nach Hause machen, aber ich bin leider nur bis Passau gekommen. Weil wir dort keine sterreichische Lok bekommen haben, kehrte ich zu meinen Verwandten zurck.
Ostern 1946 haben wir traurig gefeiert. Von zu Hause haben wir immer noch keine Nachricht bekommen. Wir schrieben Briefe, kuckten aus dem Fenster hinaus und krnkten uns.
Endlich am 10. Mai haben wir einen Brief von Elisbeth Herzog erhalten. Nach 19 Monaten hat uns der Brief wircklich Freude bereitet, aber auch Kummer. Ich wute jetzt, da mein geliebter Mann zu Hause ist, aber wir waren noch getrennt.
Am 30. Juni gingen wir aus Amberg nach Pocking, weil es verleutete, da von dort aus ein Zug nach Ungarn fhrt. Erst am 1 Juli fuhren wir aber los nach Schnburg. Von dort aus ging es am 15. Juli weiter bis nach Passau, und am 17. August nach Platting.
Dort wurden wir in Holzbaracken unterbracht. Wir htten nicht gedacht, da wir zu dieser Zeit noch in Deutschland verweilen. Mir ist eingefallen, da mein Mann am 19. August seinen Geburtstag hat. Ich wollte unbedingt zu Hause sein, aber es hat nicht geklappt. Die Weiterreise war sehr unsicher.
In den Holzbaracken ging es uns ziemlich schlecht. Wir alle haben das Jucken bekommen. Am 25. August 1946 fuhren wir doch weiter bis gfalva/Agendorf.
Dort wiederum konnten wir nur das essen, was wir gestohlen haben: Kraut aus dem Garten, Kartoffeln und pfel. Alles haben wir ohne Schmalz gegessen. Unser Geld war schon alle. Das deutsche Geld haben wir ausgegeben, und in Ungarn war gerade das neue Forint eingefhrt.
Wir waren 11 Tage und 11 Nchte unter freiem Himmel in gfalva/Agendorf. Sie haben uns erlaubt, da wir Kartoffeln aus der Erde nehmen. Einmal hat man uns Bohnen gegeben und einmal Brot.
Nach 11 Tage muten wir unsere Sachen schnell packen, was wir tragen konnten, und 24 Polizisten haben uns ber die Grenze getrieben.
Wir hatten ein groes Holzkreuz dabei, das legten wir auf unseren Holzkisten, die wir nicht mehr tragen konnten. Da haben die Mnner gefragt, was das sein soll. Meine Gromutter sagte ihnen: Das bewacht unser Gepck. Man hat uns auch nichts weggenommen.
Als wir an der anderen Seite der Grenze waren, haben uns die Polizisten den sterreichern bergeben. Da habe ich ihnen erklrt, da wir nach Hause wollen, nicht nach Deutschland. Unsere Mnner warten auf uns daheim, sie sind schon von der Front zurck. Sie haben uns in die Wartehalle einquartiert.
Noch in derselben Nacht hat man uns einen Zug besorgt und am nchsten Tag, gegen 9 Uhr haben wir alles aufgeladen und der Zug brachte uns zurck nach gfalva/Agendorf. Die Grenzwache wollte uns nicht aussteigen lassen. Als wir doch ausgestiegen waren, sagte man uns, da unsere Kisten in einer Kammer verlagert wurden. Von da an schliefen wir dadrin auf den Kisten.
Des fteren wurden wir verhrt: wie lange wir im Volksbund waren, wieviel Geld wir eingezahlt haben usw.
Aber wir waren keine Mitglieder des Volksbundes!
Am 24. September, um 5 Uhr morgens kam ein Polizist, wir sollen unsere sieben Sachen packen, wir drfen nach Hause. Wir muten uns lediglich einen Waggon besorgen. Daraufhin ging ich zum Stationschef und bat ihn um einen Bahnwagen. Es steht ein Waggon in der Nhe des Bahnhofs, mit Kohle beladen, sagte er, den sollen wir hineinschieben und ausladen, dann knnen wir ihn nehmen. Die Polizisten haben fr uns die Arbeit erledigt.
Bei Sopron/denburg hat man uns abgehngt. Nach einer kurzen Zeit hat jemand den Waggon mit Kies beworfen. Ich schaute hinaus. Da standen mein Schwager und ein anderer Bekannter.
Noch aus gfalva/Agendorf habe ich einen Brief geschrieben, damit sie von zu Hause etwas unternehmen, um uns nach Hause zu bringen, sonst gehen wir dort zugrunde. Sie sind gekommen um uns abzuholen. Wir muten auf einen Zug warten, der bis Tata kam. Bei Komrom/Komorn stieg mein Schwager aus. Er ging voraus und hat unsere Familien benachrichtigt.
Als wir am Sonntag in der Nacht, um 2 Uhr in Tata/Totis ankamen, stand mein Mann da und hat uns mit einem Pferdewagen nach Hause gefahren.
Tagebuch der Frau Baudentisztl (geb. Katharina Ruff, 1923- ) und mndliche berlieferung
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