10.2. Das Leben der Hiergebliebenen
WBEva 2006.03.10. 09:17
Die Erinnerungen meines Grovaters, Matthias Bihacker, 1929-
Als der Krieg begann, da waren im Dorf schon zwei Parteien gegeneinander. Bei den Volksbundisten war an jedem Haus ein Aushang mit einem groen „V” (Viktoria) und mit den folgenden Worten:
Trittst du in dieses Haus herein,
so soll dein Gru "Heil Hitler" sein
Auch die zu den Ungarn treue Bewohner lieen einen hnlichen Aushang verfertigen, mit der folgenden berschrift:
Trittst du in dieses Haus herein,
so soll dein Gru "Gelobt sei Jesus Christus" sein
Solange das Land und das Dorf in den Hnden der Ungarn war, hatten wir nichts zu frchten. Danach, nach der deutschen Besetzung waren im Dorf deutsche Truppen stationiert, ein Ausbildungsbataillon. Von da an kann man von richtigen und stndigen Beheligungen reden: jeder konnte innerhalb von Sekunden ein Kommunist, ein Jude oder ein Spitzel werden und dann wurde er verschleppt.
Unser Glck war, da die deutsche Armee zu dieser Zeit schon demoralisiert war. Unter den Soldaten, sogar unter den SS-Leuten, gab es mehrere, die gegen Hitler waren. Die meisten waren Schwaben aus der Ukraine, die genauso zwanggemustert wurden, wie spter die Ungarndeutschen.
Selbs die SS hat sich in zwei Gruppen aufgelst. Einige gingen nur zu den Volksbundleuten, einige kamen fters zu uns. Damals gab es zwei Wirtshuser, zwei Lebensmittelladen, sogar zwei Schulen im Dorf.
Das alles nahm ein Ende, als in der Nhe, in Gombs zB. mehrere ungarische Einheiten einquartiert wurden. Die gingen in den „nicht-volksbund-Wirtshusern”, da sie in den anderen berhaupt nicht bedient wurden.
Als sich die ungarischen Behrden Hitler unterworfen, im August 1944, wurde die deutsche Assentierung angesagt. Ungarische Gendarme begleiteten die Mnner zur Musterung, und haben ihre Papiere weggenommen.
17 Burschen, so um den 17 herum haben sich, als sie das gehrt haben, freiwillig in die ungarische Armee gemeldet, nur um nicht unter den Deutschen zu dienen. Mein Bruder schrieb vor dem Einrcken seinem Freund, der in Kassa Dienst hatte, und er schickte ihm sofort das Aufgebot. Als alles vorbei war, konnte er wieder nach Hause kommen.
Es ging so weit, da diese Jugendlichen, wenn sie zu Besuch oder auf Urlaub nach Hause kamen, von den Deutschen verprgelt wurden.
Als die Pfeilkreuzler, die mit den Volksbndlern und mit den Deutschen unter eine Decke steckten, die Macht bernahmen spitzten sich die Gegenstze immer strker zu. Im November wurden alle, auch die Jungmannen, ab 14 bis 60 Jahren ausgehoben.
Ins Dorf, zur Ausbildungseinheit wurden Mnner aus dem Branau gebracht. Hier hat man sie dann gefoltert, „ausgebildet”. Einer wollte ausreien. Es ist ihm nicht gelungen. An einem Sonntagmorgen wurde er ffentlich hingerichtet. Vor 1600 Leuten wurde der Schwabe erschossen.
Wir gingen damals nicht mit in die Armee. Mich alleine hat man eingeliefert, aber spter lie man auch mich frei. In der Kommandatur saen Bekannte von mir. Ich war noch ein Kind und sie kannten mich aus dem Gymnasium. Ich war immer der kleinste im Jahrgang. Sie sagten mir: Geh nach Hause, mein Sohn!
Nach dem Vorausgegangenen ist es verstndlich, da wir die Russen gewartet haben, damit die Beheligungen, Angst und Elend ein Ende nehmen.
Anfangs Dezember hat man uns schon bombadiert. Da haben wir uns schon versteckt. Der zerstrendste Bombenangriff war am Heiligen Abend. Am 28. kamen die Russen herein. Ohne zu kmpfen eroberten sie das Dorf. Sie kamen durch den Wald, aus der Richtung Tardos.
Danach waren wir von ihnen sehr enttuscht: hier, im Wald haben sie 28 Mnner hingerichtet. Sie brachten sie hierher aus Szomd, aus Dunaalms, aus Agostyn/Augustin. Diese Menschen muten die Schtzengraben und die Bunker auswerfen. Es gab nur einen berlebenden, den alten Pocze aus Szomd. Er kroch in der Nacht ins Dorf hinein. Man hat ihn in einem verlassenen Haus gefunden. Er lag im Bett schwer verwundet. Drei Maschienenpistolen-Kugeln waren in ihm.
Die Frontlinie war von Tata/Totis bis Ferencmajor die Bahnlinie, weiter bis Dunaalms die Hauptstrae.
Der Angriff begann am 4. Januar. Die Deutschen bombten das Dorf, weil es voll von Russen war. 60 Tanks durchrollten die Straen von Mikls/Niklo. Schon um Mittag begann der Kampf, aber die Deutschen konnten das Dorf erst um 22 Uhr besetzen. Wir hrten Minenwerferschsse. Alle versteckten sich in Kellern. Viele gingen in den Kellern der Pfarre.
Die Deutschen versammelten die Leute und die Zwangsbersiedlung begann. Sie haben alles, Vieh uns Wein weggenommen. Spter kamen die Ungarn aus den benachbarten Drfer, und haben sich die Reste geschnappt.
Vierzehn Familien blieben im Dorf, die sich versteckt hielten. Wir wuten nicht, da die Schwaben zum Robot nach Russland verschleppt wurden. Htten wir das gewut, wren wir vielleicht auch mitgegangen.
Nach dem 15. Februar hat man die Abschleppung der Schwaben eingestellt.
Zwei Monate lang stand die Front an der Linie Dorog-Szr-Vrteskozma-Szkesfehrvr/Stuhlweienburg.
Am 14. Mrz begann im Gymnasium der Unterricht. Wir wurden bei Familien unterbracht. Bei uns wohnten 3 ungarische Offiziere. Am 19. Mrz, es war ein Sonntag ging ich in zur Messe. Bei der Kirche der Klosterbrder haben mich die Feldjger angehalten und ich mute mich legitimieren. Natrlich ist ihnen aufgefallen, da ich lngst in der Armee sein mte. Er nahm meinen Ausweis und wollte mich auch mitnehmen. In der Sekunde kam ein russischer Flieger. Er sprang auf die eine Seite des Dammes, ich auf die andere und lief sofort weg. Zu Hause sagten mir die Offiziere, ich sollte sofort nach Hause, in mein Dorf gehen, solange ich noch kann.
Die Straen waren nicht mehr zu befahren, also machte ich mich auf den Weg, und kam in Wasserrien und Graben zu Fu nach Hause. Hier wute man noch nichts. Wir versuchten retten, was noch zu retten war und versteckten, was wir konnten.
Am 21. Mrz kamen wieder die Russen. Die Deutschen verschwanden im Wald.
Wir haben mit den Feldarbeiten angefangen. Als die anderen nach Hause kamen, im Juli und August, konnten sie mhen. Unsere Freude dauerte nicht lange. Kurz darauf kamen die Kolonisten und haben uns allen genommen. Sie lieen uns lediglich 5 Joch Acker.
Alle Gter der 65 Familien, die Mitglieder des Volksbundes waren und aus sterrreich oder aus der Slowakei nach Hause kamen, wurden in Beschlag genommen. Man hat sie eingekerkert.
Ich und noch ein paar Burschen, wir hielten uns die ganze Zeit versteckt auf dem Weinberg, in den Weinkellern. Niemand wute, wo wir gerade waren. Der ungarische Ortskommandant hat uns viel geholfen. Er war ein sehr netter Mensch. Er wute, wo wir uns versteckt haben. Kam eine Razzia, hat er uns am Dachboden der Ortskommandatur versteckt. Da suchte keiner.
Oft haben wir nichts zu essen gehabt. Es gibt einen Keller im dem „Neuen Weingarten”, davor stand ein altes Fa. Da hat man fr uns Manchmal etwas hinterlassen. In der Nacht kroch dann einer von uns hin und holte das ab.
Wir schliefen in Weinkellern, auf Erbstroh. Es war Dezember und wir hatten keine Decken oder sowas. Einmal sind wir aufgewacht. Wir hrten Schreie: man suchte uns.
So, wie wir waren, in Socken, mit der Schuh in der Hand, liefen wir im Schnee hinter den Weinkellern auf die Wiese hinaus. Die Tanks aus Stto/Schitta gaben 3 Schsse auf uns ab. Wir liefen weiter hinter den Scheunen zurck in den Weinkeller.
Einmal hrten wir wieder Gerusche: jetzt flohen die Deutschen. Auf einmal war es Still.
Wir warteten.
Jemand klopfte an der Tr. Jemand schrie russisch. Wir sprachen russisch, wir muten ja immer zusammen mit den Russen arbeiten, wenn die Deutschen im Dorf waren. Wir ffneten die Tr, da standen drei jungen Soldaten, Aufkrer. Sie sagten, sie mten um 8 Uhr wieder zurck sein, aber sie htten keine Uhr. Ich habe ihnen die meine gegeben. Sie haben versprochen, sie zurckzubringen.
Sie bringen sie immernoch.
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